Kapitel Sechsundzwanzig

Betsy war gerade mit dem Frühstück fertig, als es klingelte. Am Morgen hatte leichter Regen eingesetzt. Es war schwer, Nora Sloane durch die beschlagene Scheibe des Küchenfensters zu erkennen. Sie stand auf der Türmatte und hielt einen Schirm in der einen, eine große Einkaufstasche in der anderen Hand. Betsy ging mit ihrer Kaffeetasse in der Hand zur Tür. Nora lächelte sie an, als sie öffnete.

»Kann ich hereinkommen?« fragte Nora.

»Sicher«, antwortete Betsy und trat einen Schritt zur Seite. Nora stellte ihren Schirm im Windfang an die Wand und knöpfte ihren Regenmantel auf. Sie trug eng sitzende Jeans, ein hellblaues Arbeitshemd und einen dunkelblauen Pullover.

»Können wir uns setzen?« fragte sie und deutete ins Wohnzimmer. Dieser morgendliche Besuch verwirrte Betsy, aber sie setzte sich trotzdem auf die Couch. Nora ließ sich in einem Lehnsessel ihr gegenüber nieder und zog eine Waffe aus der Einkaufstasche. Die Kaffeetasse glitt Betsy aus der Hand und zerbrach, als sie auf die Marmorplatte des Tisches schlug. Um die Scherben bildete sich eine kleine braune Pfütze.

»Es tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe«, sagte Nora leise. »Ich will Ihnen nicht weh tun. Ich habe Sie gern. Ich bin mir nur nicht sicher, wie Sie reagieren werden, wenn ich Ihnen erklärt habe, warum ich hier bin. Ich will sicher sein, dass Sie keine Dummheiten machen. Sie werden doch nichts Unüberlegtes tun, oder?«

»Nein.«

»Das ist gut. Nun hören Sie mir genau zu. Martin Darius darf nicht freikommen. Am Montag, vor der Kautionsanhörung, werden Sie Richter Norwood bitten, das Geschworenenzimmer für ein privates Gespräch mit Ihrem Klienten benutzen zu dürfen. Es gibt eine Tür, die auf den Flur führt. Wenn ich klopfe, dann öffnen Sie mir.«

»Und dann?«

»Das braucht Sie nicht zu interessieren.«

»Und warum sollte ich das tun?“

Nora griff in die Einkaufstasche und zog Oliver, den Stoffskunk, heraus. Sie reichte Betsy das Stofftier.

»Ich habe Kathy. Sie ist ein liebes Mädchen. Ihr wird nichts geschehen, wenn Sie tun, was ich Ihnen sage.«

»Wie... Wie sind Sie an Kathy gekommen? Rick hat mich nicht angerufen.«

»Rick ist tot.« Betsy starrte Nora an, nicht sicher, ob sie richtig gehört hatte. »Er hat Ihnen weh getan, Betsy. So sind Männer nun mal. Martin ist der Schlimmste. Er brachte uns dazu, uns wie Hunde zu benehmen, zwang uns, miteinander zu schlafen, bestieg uns, als hätten wir kein Leben in uns. Frauen aus Comic Strips, mit denen er seine Phantasien ausleben konnte. Doch andere Männer machen das auch, auf andere Art. Wie Rick. Er hat Sie benutzt und dann weggeworfen.«

»Mein Gott.« Betsy weinte erstarrt, unfähig zu glauben, was Nora Sloane sagte. »Er ist nicht tot.«

»Ich habe das für Sie getan, Betsy.«

»Nein, Nora. Das hat er nicht verdient.«

Noras Gesichtszüge verhärteten sich. »Sie alle verdienen den Tod, Betsy. Alle.«

»Sie sind Samantha Reardon, stimmt das?«

Die Frau nickte.

»Ich verstehe nicht, wie Sie nach all dem, was Sie durchgemacht haben, diese Frauen umbringen konnten?«

»Das war hart, Betsy. Ich habe aber dafür gesorgt, dass sie nicht gelitten haben. Ich habe sie erst verstümmelt, als sie narkotisiert waren. Wenn es einen anderen Weg gegeben hätte, hätte ich ihn gewählt.«

Natürlich, dachte Betsy, wenn Samantha Reardon die Frauen entführt hatte, um Martin Darius hereinzulegen, dann war es einfacher mit ihnen umzugehen, wenn sie ohne Bewusstsein waren. Eine OP-Schwester wusste schließlich alles über Narkose und Pentobarbital.

Samantha Reardon lächelte herzlich, sicherte die Waffe und hielt sie Betsy hin.

»Haben Sie keine Angst! Ich habe gesagt, dass ich Ihnen nichts tun werde. Nehmen Sie sie! Ich will Ihnen beweisen, wie sehr ich Ihnen vertraue.“

Betsy hob die Hand zur Waffe, hielt aber dann inne.

»Machen Sie!« forderte Samantha sie auf. »Tun Sie, was ich Ihnen gesagt habe! Ich weiß, dass Sie mich nicht erschießen. Ich bin der einzige Mensch, der weiß, wo Kathy ist. Wenn ich sterbe, wird keiner sie finden. Sie wird verhungern. Das ist eine brutale und schreckliche Art zu sterben. Ich weiß das, ich bin fast verhungert.«

Betsy nahm die Waffe. Sie fühlte sich kalt und schwer an. Es lag jetzt in ihrer Macht, Samantha Reardon umzubringen, doch sie fühlte sich völlig hilflos.

»Wenn ich mache, was Sie wollen, bringen Sie mir Kathy dann unbeschadet zurück?«

»Kathy ist meine Rückversicherung, genau wie ich die von Peter Lake war. Nancy Gordon hat mir alles von dem Straffreiheitsabkommen mit dem Gouverneur erzählt. Ich habe viel von Martin Darius alias Peter Lake gelernt. Ich kann es nicht erwarten, ihm persönlich dafür zu danken.«

Samantha Reardon saß eine Weile stumm da. Sie bewegte sich nicht Betsy wollte es ihr gleichtun, aber das war unmöglich. Sie rutschte auf der Couch herum, während die Sekunden vergingen. Es schien, als habe Samantha Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. Als sie dann sprach, schaute sie Betsy mit einem Ausdruck tiefster Überzeugung an. Sie redete mit ihr, wie ein Lehrer einen Schüler ansprechen würde, dem er eine Sache ausführlich erklären wollte, damit er sie auch wirklich verstand.

»Damit Sie meine Haltung verstehen, müssen Sie Darius als das sehen, was er wirklich ist. Er ist ein Teufel. Nicht nur ein schlechter Mensch, sondern ein wahrer Teufel. Normale Maßstäbe gelten für ihn nicht. Wer würde mir glauben? Ich wurde zweimal bestraft. Als ich versucht habe, diese Sache in Hunters Point zu erzählen, glaubte mir niemand. Jetzt weiß ich, warum. Ich habe immer vermutet, dass es Leute gab, die mit Martin gemeinsame Sache gemacht haben. Das hat mir Nancy Gordon bestätigt. Sie hat mir alles von der Verschwörung erzählt, die Martin unbelastet ließ und Henry Waters die Schuld zuschob. Nur der Teufel konnte so viel Macht besitzen. Denken Sie darüber nach! Der Gouverneur, der Bürgermeister, Polizeibeamte.

Nur Nancy Gordon widersetzte sich. Sie war aber auch die einzige Frau.«

Samantha Reardon beobachtete Betsy genau. »Ich wette, Sie haben vor, sobald ich weg bin, die Polizei anzurufen. Das sollten Sie bleiben lassen! Sie werden mich vielleicht kriegen. Aber wenn ich gefasst werde, dann gebe ich nie preis, wo Kathy ist. Sie müssen sehr stark sein, wenn die Polizei Ihnen die Nachricht von Ricks Tod und Kathys Entführung bringt. Werden Sie nicht schwach, denn damit verraten sie mich!« Samantha lächelte kalt. »Sie sollten sich nicht auf die Polizei verlassen. Sie sollten nicht hoffen, dass sie etwas aus mir herausbekommt. Ich kann Ihnen versichern, dass die Polizei mir nichts antun kann, was vergleichbar wäre mit dem, was Martin mir angetan hat, und auch daran bin ich nicht zerbrochen. Ja, er dachte, er hätte mich gebrochen. Er dachte, ich hätte mich unterworfen, aber das war nur mein Körper, mein Geist blieb ungebrochen.

Nachts konnte ich die anderen Frauen wimmern hören. Ich habe nie gewimmert. Ich habe meinen Hass in mir vergraben und dort sicher verwahrt. Dann habe ich abgewartet. Als sie mir sagten, dass Waters der Täter war, wusste ich, dass sie lügen. Ich wusste, dass Martin sie dazu gebracht hatte zu lügen. Der Teufel kann das: Leute zerbrechen, sie hin- und herschieben wie Schachfiguren, aber mich hat er nicht gekriegt.«

»Hat Kathy es warm?« fragte Betsy. »Wenn sie an einem feuchten Ort ist, wird sie krank werden.«

»Kathy hat es warm. Ich bin kein Scheusal wie Darius. Ich bin nicht unmenschlich oder gefühllos. Ich brauche Kathy für meine Sicherheit. Ich will ihr nicht weh tun.«

Betsy hasste Samantha Reardon nicht. Sie war offensichtlich krank, und sie hasste Martin Darius. Darius hatte genau gewusst, was er in Hunters Point tat, als er Samantha Stück für Stück ihre Menschlichkeit nahm. Betsy gab ihr die Waffe zurück.

»Nehmen Sie sie. Ich will sie nicht.«

»Danke, Betsy. Es freut mich, dass Sie mir genauso vertrauen wie ich Ihnen.«

»Sie begehen einen Fehler. Kathy ist ein Kind. Sie hat Ihnen nie etwas angetan.“

»Ich weiß. Es ist mir schwergefallen, sie Ihnen wegzunehmen, aber es gab keinen anderen Weg, Sie dazu zu bringen, mir zu helfen. Sie haben so feste Prinzipien. Ich war entsetzt, als Sie mir sagten, Sie würden das Mandat niederlegen. Ich habe auf Sie gezählt, Sie boten mir die Möglichkeit, an ihn heranzukommen. Aber ich bewundere es, dass Sie abgelehnt haben, ihn zu vertreten. Viele Anwälte hätten wegen des Geldes weitergemacht. Ich habe Ihnen bei Ihren Eheproblemen geholfen, damit Sie wissen, wie sehr ich Sie verehre.«

Samantha stand auf. »Ich muss jetzt gehen. Machen Sie sich keine Sorgen. Kathy ist gut aufgehoben. Tun Sie, was ich Ihnen gesagt habe, und sie wird schon bald wieder bei Ihnen sein.«

»Kann Kathy mich anrufen? Sie hat sicher Angst. Es würde ihr helfen, wenn sie meine Stimme hört.«

»Ich bin sicher, dass Sie es ernst meinen, Betsy, aber Sie könnten versuchen, meinen Anruf zurückzuverfolgen. Dieses Risiko kann ich nicht eingehen.«

»Dann geben Sie ihr das hier«, sagte Betsy und reichte Samantha den Stoffskunk. »Damit wird sie sich geborgen fühlen.«

Samantha nahm das Stofftier. Tränen liefen über Betsys Gesicht.

»Sie ist alles, was ich habe. Bitte tun Sie ihr nichts.«

Samantha Reardon schloss wortlos die Tür hinter sich. Betsy rannte in die Küche und beobachtete, wie sie die Auffahrt hinunterlief, aufrecht und mit festen Schritten. In diesem Moment wusste Betsy plötzlich, wie sich die Ehemänner gefühlt hatten, als sie nach Hause kamen und nur einen Zettel fanden, auf dem stand: AUF EWIG UNVERGESSEN.

Betsy ging zurück ins Wohnzimmer. Es war immer noch dunkel, doch über den Kuppen der Hügel zeigte sich schon ein silberner Streifen. Betsy warf sich auf die Couch; die Anstrengung, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten, hatte sie erschöpft. Sie wollte um Rick trauern, doch sie konnte nur an Kathy denken. Bis Kathy nicht in Sicherheit war, würde in ihrem Herzen kein Platz für die Trauer um Rick sein.

Betsy versuchte, nicht an die Frauen auf den Autopsiefotos zu denken, sie versuchte, die Erinnerung an das, was Darius über seine Gefangenen und ihre verlorene Menschenwürde erzählt hatte, abzublocken, aber sie konnte die Gedanken an ihre kleine Tochter nicht verdrängen, die schwach und hilflos im Dunkeln lag und von jedem Geräusch erschreckt wurde.

Die Zeit quälte sich dahin. Der Regen hörte auf, und der Himmel wurde hell, ohne dass Betsy es bemerkte. Die Pfütze aus kaltem Kaffee hatte sich zwischen den Scherben der zerbrochenen Kaffeetasse auf der Tischplatte ausgebreitet. Betsy ging in die Küche. Unter der Spüle lag eine Rolle mit Papiertüchern. Sie riss ein paar Tücher ab, nahm eine kleine Papiertüte und einen großen Schwamm. Sie musste einfach etwas tun, musste sich bewegen.

Betsy hob die Scherben auf und steckte sie in die Papiertüte. Sie wischte die Tischfläche mit dem Schwamm ab und trocknete sie mit den Tüchern. Während sie arbeitete, dachte sie darüber nach, wer ihr helfen konnte. Die Polizei musste draußen bleiben. Die war unkontrollierbar. Betsy glaubte, was Samantha Reardon gesagt hatte. Wenn sie den Eindruck gewann, Betsy betrüge sie, dann würde sie Kathy töten. Wenn die Polizei sie verhaftete, dann würde sie nie sagen, wo Kathy war.

Betsy steckte die feuchten Tücher in die Tüte, trug sie in die Küche und warf sie in den Müll. Sie konnte einzig und allein daran denken, Kathy zu finden. Reggie Stewart war ein Experte im Auffinden von Leuten, und ihn hatte sie unter Kontrolle, denn er arbeitete für sie. Was noch wichtiger war, er war einfühlsam. Ihm würde es wichtiger sein, Kathy zu finden, als Samantha Reardon zur Strecke zu bringen. Betsy musste schnell handeln. Es war nur eine Frage der Zeit, bis jemand Ricks Leiche fand und die polizeilichen Untersuchungen begannen.

Reggie Stewarts Flug von Hunters Point war erst nach Mitternacht in Portland gelandet, so riss ihn Betsys Anruf aus tiefem Schlaf. Eigentlich wollte er lieber wieder ins Bett gehen, aber Betsy hatte sich so aufgeregt angehört und war am Telefon so geheimnisvoll gewesen, dass er beunruhigt war. Stewart lächelte, als ihm Betsy die Tür öffnete, doch sein Lächeln verschwand, als er ihr Gesicht sah. »Was ist los, Chef?“

Betsy antwortete nicht, bis sie im Wohnzimmer saßen. Sie sah aus, als ob sie jeden Moment die Kontrolle über sich verlieren konnte.

»Du hast recht gehabt. Samantha Reardon hat die Personen in der Baugrube umgebracht.«

»Woher weißt du das?«

»Sie hat es mir heute Morgen gesagt. Sie...«

Betsy schloss die Augen und holte tief Luft. Ihre Schultern begannen zu zittern. Sie legte ihre Hand über die Augen. Sie wollte doch nicht weinen. Stewart kniete sich neben sie und berührte sie zärtlich.

»Was ist passiert, Betsy? Sag es mir! Ich bin dein Freund. Wenn ich dir helfen kann, dann tue ich es.«

»Sie hat Puck getötet«, schluchzte Betsy und fiel in Reggies Arme.

Stewart zog sie an sich und ließ sie weinen.

»Hast du die Polizei verständigt?«

»Das kann ich nicht, Reggie. Sie hat Kathy irgendwo versteckt. Die Polizei weiß noch nicht, dass Rick tot ist. Wenn sie Samadi verhaften, dann will sie nicht sagen, wo Kathy ist, und dann wird sie verhungern. Deshalb brauche ich dich. Du musst Kathy finden.«

»Du brauchst nicht mich, Betsy. Du brauchst die Polizei, das FBI. Die sind viel besser ausgerüstet, um Kathy zu finden, als ich. Die haben Computer, viele Leute...«

»Ich glaube Samantha. Sie sagt, dass sie Kathy umbringt, wenn ich zur Polizei gehe. Samantha hat schon die vier Menschen in der Baugrube, Lisa Darius und Rick umgebracht.«

»Woher kennst du Samantha Reardon so gut?«

»Einen Tag, nachdem mich Darius angestellt hatte, rief mich eine Frau an, die sich Nora Sloane nannte. Sie sagte, sie wolle mit mir zu Mittag essen und über einen Artikel sprechen, den sie über weibliche Strafverteidiger schreiben wollte. Sie sagte, meine Fälle sollten dabei das Kernstück sein. Ich fühlte mich geschmeichelt. Als Darius verhaftet wurde, war sie schon fast zu einer Freundin geworden. Dann fragte sie mich, ob sie dabei sein könne, wenn ich an Martins Fall arbeite. Ich stimmte zu.«

»Samantha Reardon?“

»Ja.«

»Warum hat sie Puck getötet?«

»Sie sagt, weil er mich verlassen hat.«

»Wenn sie Rick umgebracht hat, weil er dir weh getan hat, warum verletzt sie dich noch mehr, indem sie Kathy entführt?«

Betsy beschloss, Stewart nichts von Samantha Reardons Anweisungen zu sagen. Sie vertraute Stewart, hatte aber Angst, dass er die Polizei warnen könnte, wenn er von Samanthas Plan wusste, in das Geschworenenzimmer zu Darius einzudringen.

»Nachdem ich herausgefunden hatte, dass Martin die Frauen in Hunters Point ermordet hat, sagte ich ihm, dass ich das Mandat niederlege. Ich habe es auch Nora Sloane oder besser Samantha Reardon gesagt. Sie war sehr aufgeregt. Ich denke, sie wollte den Fall unter Kontrolle haben. Mit Kathy in ihrer Gewalt kann sie mich zwingen, Dinge zu tun, die zu seiner Verurteilung führen. Wenn du Kathy nicht findest, muss ich tun, was sie sagt.«

Stewart lief auf und ab und dachte nach. Betsy trocknete sich die Tränen. Es half doch, mit jemandem zu reden.

»Was weißt du von Samantha Reardon?« wollte Stewart wissen. »Kennst du ihr Auto, hat sie mal erwähnt, wo sie wohnt? Als ihr essen wart, hat sie da mit Kreditkarte bezahlt?«

»Ich habe versucht, über diese Dinge nachzudenken, aber ich weiß wirklich nichts über sie. Ich sah sie nie ein Auto fahren, aber ich bin sicher, dass sie einen Wagen hat. Sie muss die Leichen auf das Baugelände geschafft haben, bei mir war sie ja auch, und mein Haus hier liegt ziemlich abseits, und sie war bei allen Gerichtsverhandlungen gegen Darius dabei.«

»Wie steht es mit ihrer Wohnung? Hat sie mal erwähnt, wie lange sie bis in die Stadt braucht, wie schön die Aussicht ist? Hast du ihre Telefonnummer?«

»Jetzt, wo ich darüber nachdenke, fällt mir auf, dass sie nie viel von sich erzählt hat. Wir haben immer von mir gesprochen oder von Darius oder über die Fälle der geprügelten Frauen, aber niemals über sie. Ich glaube, ich habe sie nie gefragt, wo sie wohnt. Einmal habe ich sie nach ihrer Telefonnummer gefragt, da hat sie gesagt, dass sie mich anrufen wird, und ich habe auch nicht nachgehakt. Ich erinnere mich, dass sie im Restaurant bar bezahlt hat. Ich glaube nicht, dass ich jemals einen Ausweis gesehen habe.«

»In Ordnung. Versuchen wir es einmal andersherum. Darius hat sich einen einsamen Bauernhof ausgesucht, damit niemand es bemerkte, als er die Frauen dort hinbrachte, und um die Möglichkeit auszuschließen, dass jemand die Frauen fand, während er nicht dort war. Nora Sloane ist nicht verheiratet und hat keinen Beruf. So hatte sie meist Zeit, bei den Frauen zu bleiben. Sie war aber immer im Gericht, wenn Darius dort antreten musste, und sie hat sich mehrere Male mit dir getroffen. Ich wette, sie wohnt in einer ländlichen Gegend, die nah genug bei Portland liegt, um leicht in die Stadt und wieder zurück zu kommen. Das Haus ist wahrscheinlich unterkellert, damit sie ihre Gefangenen verstecken kann. Außerdem muss sie Strom haben...«

»Ich habe gefragt, ob sie Kathy mit mir telefonieren lässt. Sie sagte nein, weil sie Angst habe, dass man den Anruf zurückverfolgen könne. Sie muss also ein Telefon haben«, erklärte Betsy.

»Gut. Genau so müssen wir die Sache angehen. Versorgungseinrichtungen, Telefon, Müllabfuhr. Und sie ist eine alleinstehende Frau. Ich habe Beziehungen zum Elektrizitätswerk und zur Telefongesellschaft. Da können wir feststellen, ob eine Nora Sloane oder Samantha Reardon einen Telefon- oder Stromanschluss beantragt hat, als sie nach Portland kam. Ich habe einen Kumpel bei der Führerscheinstelle, der ihren Namen überprüfen kann. Vielleicht bekommen wir ihre Adresse von einem Führerscheinantrag.

Sie hat das Haus wahrscheinlich gemietet. Ich wette, sie hat schon alles arrangiert, als sie das erste Mal in Portland war, um alles bereit zu haben, wenn sie zurückkam, aber Telefon und Strom wird sie erst beantragt haben, als sie zum zweiten Mal herkam.

Ich rufe Samantha Reardons Vermieterin in Hunters Point an und versuche, das genaue Datum herauszubekommen, wann sie das erste Mal wegging, und das Datum, wann sie zum zweiten Mal nach Portland kam. Dann überprüfe ich die Immobilienangebote für ländliche Häuser mit Keller im Bereich der drei Countys für den Zeitraum, da sie zum ersten Mal hier war. Wir werden sehen, wie viele von einer alleinstehenden Frau gemietet wurden...«

»Warum sollte sie nicht ein Haus gekauft haben? Es wäre viel sicherer. Sie müsste sich keine Sorgen machen, dass der Besitzer kommt, um die Miete zu kassieren oder um nach dem Zustand des Hauses zu sehen.«

»Ja. Daran hat sie bestimmt gedacht. Aber ich habe den Eindruck, dass sie nicht viel Geld hat. Sie wohnte in Hunters Point zur Miete, und sie hatte nur eine schlecht bezahlte Arbeit. Ich nehme an, sie hat etwas gemietet. Ich überprüfe das, was wir bezüglich der Versorgungsunternehmen finden, mit den Vermietungen.«

»Wie lange wirst du brauchen?«

Der enthusiastische Ausdruck auf Stewarts Gesicht verschwand.

»Das ist das Problem, wenn du es mich machen lässt und nicht die Polizei, Betsy. Es wird eine Weile dauern. Wir können Leute anstellen, die uns einige Arbeiten abnehmen, wie zum Beispiel die Anzeigen der Immobilienfirmen zu überprüfen, aber das alles ist sehr zeitraubend, und sie kann uns durchaus durch die Lappen gehen. Vielleicht hat sie erzählt, dass sie verheiratet ist und ihr Mann nachkommt. Möglicherweise hat sie auch ein Haus in der Stadt gefunden, das zu ihren Plänen passte. Vielleicht hat sie unter dem einen Namen den Mietvertrag geschlossen und unter einem anderen das Telefon beantragt. Eine falsche Identität kann man ganz leicht aufbauen.

Selbst wenn meine Vermutungen zutreffen, wir haben Wochenende. Ich weiß nicht, wie viele meiner Verbindungsleute ich erreiche und wann sie wieder in ihren Büros sind, um die Sache in Angriff zu nehmen.«

Betsy war enttäuscht. »Wir haben nicht viel Zeit. Ich weiß nicht, wie gut sie sich um Kathy kümmert oder was sie ihr antut, falls sie zu der Überzeugung kommt, dass sie mich nicht mehr braucht.«

»Vielleicht solltest du doch noch einmal nachdenken. Die Polizei und das FBI können sehr diskret sein.«

»Nein!« widersprach Betsy heftig. »Sie sagte, dass Kathy stirbt, wenn ich ihnen etwas sage. Da wären zu viele Leute in- formiert. Ich könnte nie sicher sein, dass sie nichts von den Untersuchungen erfahrt. Außerdem glaube ich, dass Samantha Reardon mich auf ihre verschrobene Art gern hat. Solange sie in mir keinen Feind sieht, besteht immer die Hoffnung, dass sie Kathy nichts antut.«

Der Rest des Tages ließ sich so schlimm an, dass Betsy keine Vorstellung hatte, wie sie auch nur eine Sekunde davon herumbringen konnte. Es fiel ihr schwer zu glauben, dass seit Samantha Reardons Besuch erst ein paar Stunden vergangen waren. Betsy ging in Kathys Zimmer und setzte sich auf das Bett. Der Zauberer von Oz lag auf seinem Platz auf dem Bücherbord. Sie musste noch vier Kapitel vorlesen. War es möglich, dass Kathy nie von Dorothys sicherer Heimkehr erfahren würde? Betsy rollte sich auf Kathys Bett zusammen, legte den Kopf auf ihr Kissen und umarmte sich selbst. Sie konnte Kathys frischen Geruch auf dem Kissen wahrnehmen, und sie erinnerte sich an ihre weiche Haut. Kathy, die so wertvoll, so gut war, befand sich jetzt an einem Ort, so weit weg wie Oz, wo Betsy sie nicht beschützen konnte.

Im Haus war es kalt. Betsy hatte vergessen, die Heizung anzustellen. Als die Kälte nach einiger Zeit unangenehm wurde, setzte sie sich auf. Sie fühlte sich alt und verbraucht, fror bis auf die Knochen in der kalten Luft und hatte das Gefühl, keinen Tropfen Blut mehr im Körper zu haben. Sie war zu schwach, um dem Schrecken, der in ihr Leben getreten war, Widerstand zu leisten.

Das Thermostat befand sich im Flur. Betsy drehte es hoch und lauschte auf das Rumpeln, mit dem die Heizung anlief. Sie wanderte ziellos durch die Räume. Die Stille übermannte sie plötzlich. Es kam selten vor, dass sie ganz allein war, denn seit Kathys Geburt war sie immer von Geräuschen umgeben gewesen. Jetzt hörte sie jeden Regentropfen, das Knacken des Holzes, den tropfenden Wasserhahn in der Küche und den Wind. Eine solche Stille und so viele Anzeichen der Einsamkeit.

Betsy sah die Hausbar, verwarf aber den Gedanken, einen Schluck zur Beruhigung zu nehmen. Sie musste nachdenken, selbst wenn jeder Gedanke Schmerzen bereitete. Alkohol war eine Falle. In ihrer Zukunft würde es viel Schmerz geben, und sie musste sich daran gewöhnen.

Betsy machte sich eine Tasse Tee und stellte den Fernseher an, um nicht so allein zu sein. Sie hatte keine Ahnung, welche Show sie gerade sah, aber das Lachen und der Applaus gaben ihr das Gefühl, weniger einsam zu sein. Wie sollte sie die Nacht hinter sich bringen, wenn schon der Tag so unerträglich war?

Betsy dachte daran, ihre Mutter anzurufen, doch dann verwarf sie den Gedanken wieder. Pucks Leiche würde bald entdeckt werden, und Rita würde erfahren, dass Kathy entführt worden war. Sie entschied, dass sie ihrer Mutter den Schmerz so lange wie möglich ersparen wollte.

Stewart rief um vier Uhr an, um sich nach Betsy zu erkundigen. Er hatte mit seinen Verbindungsleuten bei den Versorgungsunternehmen und der Telefongesellschaft gesprochen, einige Helfer, denen er vertraute, angeheuert, die Immobilienanzeigen der fraglichen Zeit zu überprüfen. Stewart bestand darauf, vorbeizukommen und von einem chinesischen Restaurant etwas zu essen mitzubringen. Betsy wusste, dass er es tat, damit sie nicht allein war. Und sie war zu müde, es ihm abzuschlagen. Als er da war, freute sie sich über seine Gesellschaft.

Stewart ging um halb sieben. Eine Stunde später fuhr ein Wagen auf ihren Parkplatz. Sie rannte zur Tür, in der irrationalen Hoffnung, es könnte Samantha Reardon sein, die Kathy brachte. Ein Polizeiwagen stand auf dem Parkplatz. Ein uniformierter Beamter saß hinter dem Steuer, und Ross Barrows stieg auf der Beifahrerseite aus. Er sah erschöpft aus. Betsys Herz begann wild zu schlagen. Er war bestimmt gekommen, um ihr Ricks Ermordung mitzuteilen.

»Hallo, Detective«, begrüßte sie ihn und versuchte, beiläufig zu klingen.

»Können wir hineingehen, Mrs. Tanenbaum?« bat Barrow.

»Handelt es sich um Martin Darius?«

Barrow seufzte. Er konnte sich nicht mehr erinnern, wie vielen Leuten er schon die Nachricht vom gewaltsamen Tod eines Verwandten überbracht hatte. Aber es wurde nie leichter.

»Warum gehen wir nicht hinein?“

Betsy führte Barrow ins Haus, der andere Beamte folgte ihnen.

»Das ist Greg Saunders«, stellte Barrow ihn vor. Saunders nickte.

»Möchten Sie Kaffee?«

»Im Moment nicht, danke. Dürfen wir uns setzen?«

Betsy ging ins Wohnzimmer. Als sie Platz genommen hatten, fragte Barrow: »Wo waren sie letzte Nacht und heute den Tag über?«

»Warum wollen Sie das wissen?«

»Ich habe einen ernsten Grund, das zu fragen.«

»Ich war zu Hause.«

»Sie waren nicht weg? Niemand hat sie besucht?«

»Nein«, antwortete Betsy. Sie hatte Angst, Reggie Stewart zu erwähnen.

»Sie sind verheiratet, stimmt das?«

Betsy schaute Barrow einen Moment lang an, dann senkte sie den Blick. »Mein Mann und ich leben getrennt. Kathy, unsere Tochter, ist für ein paar Tage bei ihm. Ich habe die Ruhe und den Frieden genossen, lange geschlafen und ein bisschen gelesen. Was soll das alles?«

»Wo halten sich Mr. Tanenbaum und ihre Tochter auf?« wollte Barrow wissen, Betsys Frage übergehend.

»Rick hat gerade eine neue Wohnung gemietet. Ich habe mir die Adresse aufgeschrieben. Aber warum fragen Sie?«

Betsy ließ ihren Blick zwischen Barrow und Saunders hin und her wandern. Saunders sah ihr nicht in die Augen.

»Ist etwas mit Rick und Kathy passiert?«

»Mrs. Tanenbaum, es fällt mir nicht leicht. Besonders seit ich Sie kenne. Die Tür zur Wohnung ihres Mannes war offen. Ein Nachbar hat ihn gefunden.«

»Rick gefunden? Wie? Wovon sprechen Sie?«

Barrow musterte Betsy genau.

»Möchten Sie einen Brandy oder etwas in der Art? Sind Sie in Ordnung?«

»Mein Gott!« rief Betsy aus und ließ den Kopf in die Hände sinken, so dass ihr Gesicht bedeckt war.

»Der Nachbar hat Mr. Tanenbaum schon identifiziert, also können wir Ihnen wenigstens das ersparen.«

»Wie ist es...?«

»Er wurde ermordet. Wir müssen Sie zu der Wohnung bringen. Es gibt einige Fragen, die nur Sie beantworten können. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, wir haben die Leiche schon weggebracht.«

Betsy richtete sich plötzlich auf. »Wo ist Kathy?«

»Das wissen wir nicht, Mrs. Tanenbaum. Deshalb müssen Sie ja mit uns kommen.«

Die meisten Beamten von der Spurensicherung waren schon weg, als Betsy in Ricks Wohnung ankam. Zwei Beamte standen im Flur und rauchten. Betsy hörte sie lachen, als die Tür des Lifts aufglitt. Sie blickten schuldbewusst, als sie Betsy aus dem Lift treten sahen. Einer hielt seine Zigarette so, als ob er ein Beweisstück verstecken wollte.

Die Tür zu Ricks Wohnung öffnete sich in einen schmalen Flur. Das Ende des Flurs verbreiterte sich in ein großes Wohnzimmer mit großen Fenstern. Im Flur brannte Licht, und Betsy sah sofort das Blut. Es war zu einem großen braunen Fleck getrocknet. Da ist Rick gestorben. Sie blickte schnell wieder hoch und folgte Barrow, als er über den Fleck schritt.

»Hier herein«, sagte er und deutete auf das Gästezimmer. Betsy betrat den Raum. Sie sah Kathys Büchertasche. Eine dreckige Jeans und ein grüngestreiftes Hemd mit langen Ärmeln lagen zusammengeknüllt in einer Ecke auf dem Boden. Während der Fahrt hierher hatte sich Betsy gefragt, ob sie Tränen würde vortäuschen können, wenn es soweit war. Sie hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen.

»Das gehört Kathy«, brachte sie schließlich hervor. »Sie war so stolz, weil sie alles allein gepackt hatte.«

An der Wohnungstür gab es Unruhe. Alan Page drängte in die Wohnung. Er kam direkt auf Betsy zu.

»Ich habe es gerade erfahren. Sind Sie in Ordnung?«

Betsy nickte. Die Selbstsicherheit, die Page aus dem Gerichtssaal kannte, war verschwunden. Betsy machte den Eindruck, als könne sie jeden Moment zusammenbrechen. Er nahm ihre Hände und drückte sie sanft.

»Wir bringen Ihre Tochter zurück. Ich setze jeden Mann, den ich habe, auf diesen Fall an. Ich informiere das FBI. Wir kriegen heraus, wer sie hat.«

»Danke, Alan«, antwortete Betsy dumpf.

»Brauchen Sie sie noch, Ross?«

Barrow schüttelte den Kopf.

Page führte Betsy aus dem Zimmer in ein anderes. Er forderte sie auf, sich zu setzen, und nahm ihr gegenüber Platz.

»Kann ich etwas für Sie tun, Betsy?«

Page war beunruhigt von ihrer Blässe. Betsy holte tief Luft und schloss die Augen. Sie war daran gewöhnt, Alan Page als knallharten Ankläger zu erleben. Pages Mitgefühl entwaffnete sie völlig.

»Es tut mir leid«, erklärte Betsy. »Ich kann mich nicht konzentrieren.«

»Entschuldigen Sie sich nicht. Sie sind doch nicht aus Stein. Wollen Sie sich ausruhen? Wir können auch später über diese Sache sprechen.«

»Nein. Machen Sie weiter.«

»In Ordnung. Hat jemand mit Ihnen in dieser Sache Kontakt aufgenommen? «

Betsy schüttelte den Kopf. Page sah verwirrt aus. Das ergab keinen Sinn. Rick Tanenbaum war wahrscheinlich am Tag zuvor ermordet worden. Wenn die Person, die Kathy entführt hatte, hinter einem Lösegeld her war, dann hätte sie Betsy schon längst angerufen.

»Es war kein Raubüberfall, Betsy. In Ricks Brieftasche war viel Geld; er hatte eine wertvolle Uhr. Fällt Ihnen jemand ein, der einen Grund hatte, Rick etwas anzutun?«

Betsy schüttelte den Kopf. Es fiel ihr schwer, Alan anzulügen, aber es musste sein.

»Er hatte keine Feinde?« fragte Page. »Persönliche, geschäftliche, jemand aus seiner Firma, jemand, den er vor Gericht ausgestochen hat?“

»Mir fällt niemand ein. Puck ging nicht vor Gericht. Er hat Verträge geschlossen. Ich habe nie von ihm gehört, dass er persönliche Probleme mit jemandem aus der Firma gehabt hätte.«

»Ich will Sie nicht verletzen«, sagte Page, »aber Ross hat mir erzählt, dass Sie und Rick sich getrennt haben. Was ist passiert? Hat er getrunken, Drogen genommen, war da eine andere Frau?«

»Es war nichts in der Art, Alan. Es war... Er... er wollte verzweifelt Teilhaber werden bei DONOVAN, CHASTAIN & MILLS, aber es sah so aus, als ob sie ihn nicht hereinlassen wollten. Und er war extrem eifersüchtig auf meinen Erfolg.« Tränen füllten Betsys Augen. »Teilhaber zu werden, das hat ihm alles bedeutet. Er hat nicht gespürt, dass mir das egal war. Ich liebte ihn.«

Betsy konnte nicht weitersprechen. Mit jedem Seufzen zitterten ihre Schultern. Das alles war so blödsinnig. Eine Ehe deswegen aufzugeben. Seine Frau und seine Tochter zu verlassen wegen eines Namens im Briefkopf.

»Ich lasse Sie nach Hause bringen«, sagte Page leise. »Ich möchte einen Beamten in Ihrem Haus postieren. Bis wir etwas anderes wissen, behandeln wir Kathys Verschwinden wie eine Entführung. Ich möchte ihre Einwilligung, dass wir Ihr Privattelefon und das Geschäftstelefon abhören dürfen, für den Fall, dass die Person, die Kathy hat, anruft. Wir schalten uns sofort aus, wenn ein Klient anruft, sobald wir sicher sind, dass es nicht der Entführer ist. Ich werde die Bänder vom Geschäftsapparat löschen.«

»In Ordnung.«

»Wir haben Ricks Namen noch nicht preisgegeben, und wir werden den Medien nicht sagen, dass Kathy verschwunden ist, es sei denn, es muss sein. Aber Ricks Namen müssen wir wahrscheinlich morgen früh weitergeben. Die Presse wird hinter Ihnen her sein.«

»Ich verstehe.«

»Soll ich jemanden anrufen, der bei Ihnen bleibt?«

Es gab keinen Grund mehr, Kathys Verschwinden vor Rita geheim zu halten. Betsy brauchte sie mehr als sonst.

»Ich möchte, dass meine Mutter zu mir kommt.“

»Natürlich. Ein Beamter wird sie zu Ihnen bringen.«

»Das ist nicht nötig. Kann ich telefonieren?«

Page nickte. »Noch eins. Ich erkläre die Sache Richter Norwood. Er wird die Anhörung in der Darius-Sache verschieben.«

Betsys Herz tat einen Sprung. Das hatte sie ganz vergessen. Wie würde Samantha Reardon reagieren, wenn die Anhörung verschoben würde? Sie hatte Kathy ja gerade wegen der Anhörung entführt. Je länger sie ausgesetzt würde, desto größer war die Gefahr, dass Samantha Kathy etwas antat.

»Ich werde arbeiten, Alan. Wenn ich nur zu Hause sitze, werde ich verrückt.«

Page schaute sie verwundert an. »Sie wollen sich doch jetzt nicht mit einer so komplizierten Sache wie dem Fall Darius abgeben? Sie sind viel zu verwirrt, um gute Arbeit zu leisten. Ich will Darius um alles in der Welt drankriegen, aber ich werde niemals aus einer solchen Situation einen Vorteil ziehen. Glauben Sie mir, Betsy! Über seinen Fall sprechen wir nach der Beerdigung.«

Die Beerdigung. Betsy hatte keinen Gedanken an die Beerdigung verschwendet Ihr Bruder hatte sich um das Begräbnis ihres Vaters gekümmert. Was musste man machen? Mit wem musste man Kontakt aufnehmen?

Page sah, wie verwirrt Betsy war, und nahm ihre Hand. Noch nie vorher hatte sie seine Augen bemerkt. Alles an ihm, von seinem schlanken Körperbau bis zu den Linien seines Gesichts, wirkte hart, doch seine Augen strahlten in einem sanften Blau.

»Sie sehen aus, als würden Sie gleich zusammenbrechen«, meinte Page. »Ich schicke Sie jetzt nach Hause.

Versuchen Sie, etwas zu schlafen, auch wenn Sie dazu eine Tablette nehmen müssen. Sie brauchen jetzt Ihre ganze Kraft. Und geben Sie die Hoffnung nicht auf! Sie haben mein Wort. Ich unternehme alles, was in meiner Macht steht, um Ihnen Ihr kleines Mädchen zurückzubringen.“

Auf ewig unvergessen
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